Das Verständnis der Mechanismen, durch die Präferenzen gebildet werden, ist zentral für die Entwicklung effektiver Umweltpolitiken. Präferenzen sind keine statischen Größen, sondern dynamische Konstrukte, die durch Kontext, Framing und kulturelle Einflüsse kontinuierlich geprägt und transformiert werden. Politische Entscheidungsträger können durch das Erkennen dieser dynamischen Prozesse gezielt Strategien entwerfen, die nachhaltiges Verhalten fördern und verstärken.

Kognitive Verzerrungen wie der Besitztumseffekt (endowment effect) oder die Zeitpräferenz (temporal discounting) stellen jedoch Herausforderungen dar, da sie sowohl die Bewertung von Umweltgütern als auch die Risikowahrnehmung beeinflussen und oft verfälschen. Eine wirksame Umweltpolitik erfordert daher eine Konzeption, die sensibel auf die spezifischen sozialen und kulturellen Gegebenheiten abgestimmt ist, sowie eine kontinuierliche Anpassung, um den sich wandelnden gesellschaftlichen Einstellungen gerecht zu werden.

Inhalt:

Einleitung

Präferenzbildung ist ein zentrales Konzept der Verhaltensökonomie und hat weitreichende Auswirkungen auf umweltbezogene Entscheidungsprozesse. Während traditionelle ökonomische Modelle häufig von der Annahme ausgehen, dass Präferenzen statisch und rational sind, bietet die Verhaltensökonomie eine dynamische Perspektive: Präferenzen entwickeln sich im Laufe der Zeit und werden durch Kontext, Framing und verfügbare Informationen maßgeblich beeinflusst.

Ein fundiertes Verständnis dieser dynamischen Präferenzbildung ist unverzichtbar, um effektive umweltpolitische Interventionen zu entwickeln, die einen strukturellen Wandel hin zu nachhaltigem Verhalten fördern. Der vorliegende Artikel analysiert die Mechanismen der Präferenzbildung, ihren Einfluss auf Entscheidungsprozesse und die Notwendigkeit, diese Erkenntnisse in das Design von Umweltpolitik zu integrieren. Anhand von Beispielen aus verschiedenen Ländern wird eine fundierte Perspektive aufgezeigt, die theoretische Ansätze mit praxisnahen und global übertragbaren Erkenntnissen vereint.

Präferenz­bildung und ihre Auswirkungen auf umwelt­bezogene Entscheidungs­prozesse

Präferenzen sind keine festen Größen, sondern dynamische Konstrukte, die durch Erfahrungen, soziale Normen und Umweltkontexte geformt werden. Norton et al. (1998) betonen, dass Präferenzen endogen sind, das heißt, sie entwickeln sich kontinuierlich in Reaktion auf Veränderungen der Umweltbedingungen. Dieses Verständnis ist entscheidend, um zu analysieren, wie Verschiebungen in den Präferenzen die Unterstützung für Umweltpolitiken beeinflussen können. So zeigt sich beispielsweise in Deutschland und Dänemark eine zunehmende Präferenz für erneuerbare Energien gegenüber fossilen Brennstoffen. Politische Akteure, die diese dynamischen Entwicklungen erkennen und ihre Strategien darauf abstimmen, sind besser in der Lage, Politiken zu gestalten, die auf Akzeptanz stoßen und langfristige ökologische Vorteile bewirken.

Ein prägnantes Beispiel liefert Japan: Nach der Nuklear­katastrophe in Fukushima gelang es der Regierung, öffentliche Präferenzen gezielt in Richtung Energieeinsparung und erneuerbare Energien zu lenken. Die Katastrophe veränderte die Wahrnehmung der Kernenergie tiefgreifend und führte zu einem landesweiten Fokus auf Energieeffizienz. Dieser Wandel wurde durch staatliche Initiativen, wie die Förderung energieeffizienter Technologien und breit angelegte Aufklärungs­kampagnen, nachhaltig verstärkt. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie prägende Ereignisse öffentliche Präferenzen rasch neu ausrichten können und wie Regierungen diese Veränderungen strategisch nutzen können, um nachhaltige Verhaltensweisen zu fördern.

Slovics (1995) Konzept der „konstruierten Präferenzen“ zeigt, dass Präferenzen oft erst im Verlauf des Entscheidungsprozesses entstehen, wobei sie stark durch Kontext­faktoren und Rahmungen beeinflusst werden. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Einführung des Pfandsystems in Deutschland und ähnlicher Modelle in skandinavischen Ländern. Vor der Implementierung dieser Systeme war der ökologische Schaden durch Einweg­verpackungen weniger im Bewusstsein der Konsumenten. Durch die Erhöhung der Kosten und die Unannehm­lichkeiten im Zusammenhang mit Einweg­verpackungen gelang es diesen Maßnahmen, das Konsumverhalten nachhaltig zu ändern und umweltfreundlichere Entscheidungen zu fördern. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie politische Interventionen durch eine gezielte Veränderung der Entscheidungs­umgebung Präferenzen effektiv beeinflussen können.

Das Konzept der ökologischen Rationalität, wie es von Gigerenzer und Todd (1999) in Simple Heuristics That Make Us Smart beschrieben wird, liefert weitere Einblicke in die Dynamik der Präferenzbildung. Ökologische Rationalität beschreibt, wie Individuen ihre Entscheidungs­strategien an spezifische Umwelt­kontexte anpassen, was zu unterschiedlichen Präferenzen in verschiedenen Situationen führt. Städte wie Freiburg in Deutschland sind Vorreiter im nachhaltigen urbanen Leben, indem sie öffentlichen Nahverkehr und Radfahren konsequent fördern. Ähnlich hat das umfangreiche Radwegenetz in den Niederlanden, ergänzt durch politische Maßnahmen zugunsten von Radfahrern, das Radfahren in vielen Städten zur bevorzugten Fortbewegungsart gemacht. Diese Beispiele zeigen, dass Umweltpolitiken, die den kontext­abhängigen Charakter von Präferenzen berücksichtigen, gezielt nachhaltige Verhaltensweisen fördern können.

Die Bewertung von Umwelt­gütern: Verzerrungen und methodische Heraus­forderungen

Die präzise Bewertung von Umweltgütern stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar, da kognitive Verzerrungen die Schätzungen zur Zahlungs­bereitschaft (Willingness-to-Pay, WTP) erheblich beeinflussen können. Eine zentrale Herausforderung bildet der hypothetische Bias, bei dem Befragte in hypothetischen Szenarien ihre Zahlungs­bereitschaft überschätzen, verglichen mit ihrem tatsächlichen Verhalten in realen Markt­situationen (Harrison und Rutström, 2008). Diese Verzerrung wurde in zahlreichen Ländern beobachtet, darunter Deutschland und die Vereinigten Staaten. In beiden Fällen zeigt sich eine Diskrepanz zwischen einer in Umfragen geäußerten starken Unterstützung für erneuerbare Energien und deren tatsächlicher Umsetzung, die oft durch hohe Kosten und infra­strukturelle Hürden gehemmt wird. Diese Abweichung zeigt den Bedarf an genaueren Bewertungsmethoden, die die tatsächlichen Präferenzen erfassen, statt übertriebener hypothetischer Antworten.

Ein Beispiel hierfür liefert die Situation in den Vereinigten Staaten: Trotz einer breiten öffentlichen Unterstützung für erneuerbare Energien schreitet deren Einführung langsamer voran als erwartet. Viele Befragte geben in Umfragen eine hohe Zahlungs­bereitschaft für grüne Energie an, weichen jedoch in der Realität angesichts hoher Kosten und praktischer Heraus­forderungen von diesen Präferenzen ab. Diese Kluft zwischen hypothetischen und realen Verhaltensweisen unterstreicht die Komplexität der Bewertung von Umweltgütern und die Notwendigkeit von Strategien, die diesen Widerspruch überbrücken.

Ein weiteres Problemfeld ist der Embedding-Effekt, den Kahneman und Knetsch (1992) eingehend untersucht haben. Dieser Effekt zeigt, dass die Bewertung von Umweltgütern nicht isoliert auf deren spezifischen Eigenschaften beruht, sondern stark vom breiteren Kontext beeinflusst wird. Diese Verzerrung ist eng mit den sogenannten „Warm-Glow“-Motivationen verbunden, bei denen Befragte Zufrieden­heit aus ihrem Beitrag zu einem öffentlichen Gut schöpfen, unabhängig von den Eigenschaften des Guts selbst (Andreoni, 1990). In Deutschland und im Vereinigten Königreich wird beispielsweise die Teilnahme an Recycling­programmen häufig durch ein Gefühl der Gemeinschafts­verantwortung motiviert, anstatt durch den direkten Nutzen für die Umwelt. Dies verdeutlicht, wie soziale und moralische Kontexte Umweltpräferenzen formen können.

Eine weitere Heraus­forderung in der Umwelt­bewertung ist die Diskrepanz zwischen der Zahlungs­bereitschaft (WTP)und der akzeptierten Entschädigung (Willingness-to-Accept, WTA), die durch den Besitztumseffekt (endowment effect) erklärt wird. Diese kognitive Verzerrung, von Thaler (1980) beschrieben, besagt, dass Individuen Güter, die sie bereits besitzen, höher bewerten als solche, die sie nicht besitzen. Dies führt zu einer systematischen Lücke zwischen WTP und WTA, die insbesondere im Umweltkontext relevant ist. In Deutschland zeigt sich dies beispielsweise in der Ablehnung, Land für Windparks zu verkaufen, obwohl erneuerbare Energie­projekte grundsätzlich unterstützt werden. Ähnlich verhält es sich in den Vereinigten Staaten, wo Landbesitzer oft zögern, Grundstücke für erneuerbare Energie­projekte zu verpachten, obwohl sie grüne Energie befürworten.

Die zeitliche Diskontierung, insbesondere in Form der hyperbolischen Diskontierung, macht die Umwelt­bewertung noch komplexer. Diese Verzerrung führt zu zeitinkonsistenten Präferenzen, bei denen unmittelbare Belohnungen gegenüber langfristigen Vorteilen überproportional bevorzugt werden (Laibson, 1997). Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Gestaltung von Umweltpolitik, die auf langfristige Ziele ausgerichtet ist. Ein Beispiel hierfür sind energieeffiziente Gebäude­sanierungen in Deutschland: Trotz langfristiger Kostenein­sparungen verzögert sich deren Umsetzung häufig aufgrund hoher Anfangs­investitionen und einer Präferenz für sofortige finanzielle Liquidität. Ähnliche Muster zeigen sich im Vereinigten Königreich, wo staatliche Anreize notwendig sind, um die anfänglichen finanziellen Hürden bei der Einführung energie­effizienter Technologien zu überwinden.

Zusammenfassung der Bewertungs­verzerrungen:

  • Hypothetischer Bias: Die systematische Überschätzung der Zahlungsbereitschaft (Willingness-to-Pay, WTP) in hypothetischen Szenarien im Vergleich zum tatsächlichen Verhalten unter realen Marktbedingungen.
  • Embedding-Effekt: Der Einfluss des weiteren Kontexts auf die Bewertung von Umweltgütern, der dazu führt, dass spezifische Eigenschaften eines Gutes zugunsten allgemeinerer Wahrnehmungen in den Hintergrund treten.
  • Besitztumseffekt (Endowment-Effekt): Eine kognitive Verzerrung, bei der Individuen Güter in ihrem Besitz systematisch höher bewerten, was eine Diskrepanz zwischen der Zahlungsbereitschaft (WTP) und der akzeptierten Entschädigung (Willingness-to-Accept, WTA) zur Folge hat.
  • Zeitliche Diskontierung: Die Präferenz für sofortige Belohnungen gegenüber zukünftigen Vorteilen, die langfristige Entscheidungen in der Umwelt­politik erschwert, insbesondere im Kontext hyperbolischer Diskontierungs­modelle.

Die Entstehung von Überzeugungen zu Umweltrisiken

Überzeugungen zu Umwelt­risiken werden durch kognitive Verzerrungen geprägt, die beeinflussen, wie Individuen Risiken wahrnehmen und darauf reagieren. Die Verfügbarkeits­heuristik führt beispielsweise dazu, dass Menschen die Wahrschein­lichkeit von Ereignissen überschätzen, die ihnen leichter in Erinnerung bleiben, wie kürzlich eingetretene Natur­katastrophen (Tversky und Kahneman, 1973). Sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten zeigt sich diese Verzerrung in der öffentlichen Reaktion auf extreme Wetter­ereignisse wie Überschwemmungen und Hurrikans. Diese Ereignisse haben zu einer stärkeren Besorgnis über den Klimawandel und einer breiteren Unterstützung für Maßnahmen zur Katastrophenprävention geführt, obwohl andere Risiken statistisch gesehen möglicherweise bedeutsamer sind.

Ein ähnliches Beispiel findet sich in Australien, wo die verheerenden Buschfeuer der Jahre 2019–2020 die öffentliche Wahrnehmung von Risiken erheblich verändert und eine stärkere Unterstützung für Klimaschutz­maßnahmen hervorgerufen haben. Dieses Beispiel zeigt, wie Umwelt­katastrophen als Katalysatoren für die Veränderung öffentlicher Einstellungen und Risiko­wahrnehmungen wirken können, was oft zu einer erhöhten Unterstützung für politische Maßnahmen zur Risikobewältigung führt.

Eine weitere kognitive Verzerrung, der Optimismus-Bias, führt dazu, dass Individuen die Wahrschein­lichkeit negativer Ereignisse, die sie persönlich betreffen, unterschätzen, selbst wenn sie diese Risiken für andere erkennen (Weinstein, 1980). In Deutschland wird dies bei der Reaktion auf den Klimawandel deutlich: Viele Menschen erkennen die globalen Risiken an, sind jedoch weniger besorgt über die direkten Auswirkungen auf ihr eigenes Leben. Dies führt zu verzögerten persönlichen Maßnahmen, wie der Einführung nachhaltiger Praktiken. Ein ähnliches Muster zeigt sich in anderen Teilen Europas und Nordamerikas, wo der Klimawandel oft als eine ferne Bedrohung wahrgenommen wird, anstatt als unmittelbares persönliches Risiko.

Die Ambiguitätsaversion, beschrieben in den Paradoxa von Allais (1953) und Ellsberg (1961), zeigt, dass Menschen Unsicher­heiten und Mehrdeutigkeiten in Entscheidungen stärker meiden, als es rationale Modelle vorhersagen würden. In Deutschland äußert sich dies in einer Zurückhaltung gegenüber Investitionen in neue Technologien wie Elektrofahrzeuge. Diese Zurückhaltung resultiert aus Unsicherheiten hinsichtlich der langfristigen Verlässlichkeit solcher Technologien sowie der Verfügbarkeit der erforderlichen Infrastruktur. Ähnliche Muster finden sich in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich, wo Verbraucher aufgrund von Bedenken über Batterie­lebensdauer und Lad­einfrastruktur nur zögerlich auf Elektro­fahrzeuge umsteigen.

Das Verständnis dieser kognitiven Verzerrungen ist entscheidend für die Entwicklung politischer Strategien, die Umwelt­risiken effektiv adressieren und proaktives Verhalten fördern.

Zusammen­fassung der Verzerrungen in der Risiko­wahrnehmung:

  • Verfügbarkeits­heuristik: Die systematische Überschätzung der Wahrschein­lichkeit von Ereignissen, die kürzlich eingetreten sind oder aufgrund ihrer Auffälligkeit leichter erinnert werden können.
  • Optimismus-Bias: Die Unterschätzung persönlicher Risiken, obwohl globale oder allgemeine Gefahren erkannt werden, was häufig zu einer Verzögerung individueller Handlungs­maßnahmen führt.
  • Ambiguitätsaversion: Die Abneigung gegenüber Unsicherheit oder Mehrdeutigkeit, die insbesondere Investitionen in neue oder ungetestete Technologien behindert.

Die Integration von Verhaltens­wissenschaft in die Umwelt­politik

Die Integration von verhaltenswissen­schaftlichen Erkenntnissen in die Umweltpolitik erfordert ein grundlegendes Umdenken in der Politik­gestaltung. Präferenzen sind dynamisch und werden durch kognitive Verzerrungen geprägt, weshalb politische Maßnahmen flexibel und kontext­sensitiv sein müssen. Van den Bergh et al. (2000) argumentieren, dass effektive Umweltpolitik nicht nur diese Verhaltens­faktoren berücksichtigen, sondern sie gezielt nutzen sollte, um pro-umweltfreundliches Verhalten zu fördern. Ein Beispiel hierfür ist die deutsche Energiewende, die verhaltens­basierte Ansätze erfolgreich integriert hat, indem erneuerbare Energien als positive, zukunfts­weisende Wahl kommuniziert und finanzielle Anreize für nachhaltige Praktiken geschaffen wurden. Ähnliche Strategien wurden in Ländern wie Dänemark angewandt, wo die Regierung die Windenergie wirksam gefördert hat, indem sie finanzielle Anreize mit dem wachsenden Umwelt­bewusstsein der Öffentlichkeit in Einklang gebracht hat.

Ein zentraler Bereich für die Anwendung verhaltenswissen­schaftlicher Ansätze ist die Bewertung zukünftiger Umweltfolgen. Die hyperbolische Diskontierung, wie sie von Frederick et al. (2002) beschrieben wurde, zeigt, dass Menschen langfristige Vorteile oft unterschätzen und kurzfristige Gewinne bevorzugen. Um dieser Verzerrung entgegen­zuwirken, sollten Maßnahmen zur Förderung der langfristigen Nachhaltigkeit unmittelbare Anreize mit zukünftigen Vorteilen verbinden. Ein Beispiel sind Subventionen für den Kauf von Elektro­fahrzeugen oder die energetische Gebäude­sanierung, die kurzfristige finanzielle Vorteile bieten und langfristig nachhaltiges Verhalten fördern. Ein vergleichbarer Ansatz hat sich in den Niederlanden bewährt, wo Steuerver­günstigungen und Subventionen die Akzeptanz energie­effizienter Technologien erheblich gesteigert haben.

Zusätzliche Beispiele aus Deutschland und anderen Ländern verdeutlichen die Wirksamkeit solcher Strategien. Deutschlands Energie­sparprogramme setzen erfolgreich auf Nudges – subtile Maßnahmen, die Verhaltens­änderungen fördern, ohne die individuelle Entscheidungs­freiheit einzuschränken. So hat die Einführung energie­effizienter Geräte als Standard­option bei öffentlichen Ausschreibungen deren Akzeptanz erheblich gesteigert. Ein weiteres Beispiel bietet Schweden, wo Bürger standardmäßig in Ökostrom­programmen angemeldet werden, was zu einer hohen Teilnahme­quote geführt hat.

Kulturelle Grenzen verhaltens­ökonomischer Anwendung in der Umwelt­politik

Die Verhaltens­ökonomie bietet wertvolle Einblicke für die Gestaltung von Umwelt­politik, doch ihre Anwendung in unterschiedlichen kulturellen Kontexten unterliegt wesentlichen Einschränkungen. Kulturelle Normengesellschaftliche Werte und soziale Strukturen beeinflussen maßgeblich, wie verhaltens­basierte Interventionen wahrgenommen werden und ob sie ihre beabsichtigte Wirkung entfalten. Der Erfolg von Nudges in einem Land kann nicht einfach auf ein anderes übertragen werden, da Faktoren wie soziales Vertrauen, die Ausprägung von Individualismus vs. Kollektivismus und die Rolle des Staates im Alltag stark variieren.

Ein Beispiel hierfür ist Japan, wo der kulturelle Fokus auf kollektiver Verantwortung liegt. Hier könnten Umweltpolitiken, die gezielt an die Gruppenidentität appellieren, deutlich effektiver sein als Ansätze, die individuelles Verhalten ansprechen. Letztere Strategien sind hingegen in stärker individualistisch geprägten Gesellschaften wie den Vereinigten Staaten oder dem Vereinigten Königreich erfolgversprechender.

Es ist daher essenziell, dass politische Entscheidungsträger kulturelle Faktoren bei der Entwicklung und Umsetzung von verhaltenswissen­schaftlich fundierten Interventionen berücksichtigen. Die Anpassung von Strategien an den jeweiligen lokalen Kontext ist unver­zichtbar, um deren Wirksamkeit sicher­zustellen und kulturelle Gegeben­heiten zu respektieren.

Handlungs­empfehlungen

  1. Dynamische Anpassung an sich wandelnde Präferenzen: Da Präferenzen nicht statisch sind, sondern sich im Laufe der Zeit verändern, sollten Umweltpolitiken regelmäßig aktualisiert werden. Dies stellt sicher, dass Interventionen mit den aktuellen Einstellungen der Öffentlichkeit übereinstimmen und langfristig effektiv bleiben.
  2. Kontext­sensitives Design von Interventionen: Entscheidungen werden maßgeblich durch den Kontext beeinflusst, in dem sie getroffen werden. Strategien und Botschaften sollten so gestaltet werden, dass sie spezifische Entscheidungs­situationen berücksichtigen. Ziel ist es, nachhaltige Handlungs­alternativen als intuitiv und leicht zugänglich darzustellen.
  3. Gestaltung von Umgebungen, die nachhaltige Entscheidungen fördern: Nutzen Sie das Konzept der ökologischen Rationalität, um Umgebungen so zu gestalten, dass nachhaltige Optionen am sichtbarsten und einfachsten zugänglich sind. Umweltfreundliche Entscheidungen sollten durch ihre Integration in den Alltag zur Standardwahl werden.
  4. Kognitiven Verzerrungen durch unmittelbare Anreize entgegenwirken: Verzerrungen wie zeitliche Diskontierung können durch sofortige Belohnungen für nachhaltiges Verhalten ausgeglichen werden. Direkte Anreize fördern nicht nur kurzfristiges Engagement, sondern unterstützen auch die Etablierung langfristiger Verhaltens­änderungen.
  5. Anpassung von Politiken an kulturelle Kontexte: Die Wirksamkeit verhaltens­basierter Interventionen wird durch kulturelle Unterschiede geprägt. Politiken müssen an lokale Normen und Werte angepasst werden, um Akzeptanz und Relevanz in der Zielpopulation zu gewährleisten.

Fazit

Die Verbindung zwischen der Präferenz­bildung und umwelt­bezogenen Entscheidungen ist von zentraler Bedeutung, um einen Wandel hin zu nachhaltigem Verhalten zu fördern. Präferenzen sind konstruiert, kontextabhängig und von kognitiven Verzerrungen beeinflusst. Diese Erkenntnis erlaubt es politischen Entscheidungs­trägern, Umwelt­politiken gezielt so zu gestalten, dass sie effektiver wirken. Solche Politiken müssen flexibel und adaptiv sein, um der dynamischen Natur von Präferenzen gerecht zu werden und Umgebungen zu schaffen, die nachhaltige Entscheidungen erleichtern und fördern.

Wie dieser Artikel gezeigt hat, ist die Integration von verhaltenswissen­schaftlichen Erkenntnissen in die Umweltpolitik essenziell, um nachhaltiges Verhalten zu fördern. Schlüssel­herausforderungen wie kognitive Verzerrungen – darunter der hypothetische Bias, der Besitztums­effekt und die zeitliche Diskontierung – erschweren sowohl die Bewertung von Umweltgütern als auch die Entwicklung von Überzeugungen in Bezug auf Umweltrisiken. Doch durch sorgfältig gestaltete Politiken, die diese Verzerrungen berücksichtigen und an kulturelle Kontexte angepasst sind, können Umgebungen geschaffen werden, die nachhaltige Entscheidungen auf natürliche Weise begünstigen.

Regelmäßige Aktualisierungen von Politiken, die Anpassung von Interventionen an spezifische Entscheidungs­kontexte und die Bereitstellung unmittelbarer Anreize können politische Entscheidungs­träger dabei unterstützen, die Öffentlichkeit effektiv zu einem nachhaltigeren Verhalten zu führen.

Die diskutierten globalen Beispiele verdeutlichen die universelle Anwendbarkeit dieser Erkenntnisse und betonen gleichzeitig die Bedeutung kultureller Sensibilität bei der Umsetzung von Politiken. Letztlich bietet dieser Ansatz einen Weg, langfristige Umweltziele durch informierte und anpassungs­fähige Entscheidungs­prozesse zu erreichen.

Glossar zentraler Begriffe

  • Besitztums­effekt:Eine kognitive Verzerrung, bei der Individuen Gütern, die sie besitzen, einen höheren Wert beimessen als solchen, die sie nicht besitzen. Dies beeinflusst ihre Zahlungs­bereitschaft und ihre Bereitschaft, Entschädigungen zu akzeptieren.
  • Hyperbolische Diskontierung:Eine Theorie der Verhaltensökonomie, die beschreibt, wie Menschen kleinere, sofortige Belohnungen unverhältnis­mäßig bevorzugen und dadurch inkonsistente Entscheidungen über die Zeit treffen.
  • Hypothetischer Bias:Die Tendenz, in hypothetischen Szenarien eine höhere Zahlungsbereitschaft anzugeben als in tatsächlichen Marktsituationen, was oft zu Überschätzungen in umfragebasierten Bewertungs­methoden führt.
  • Konstruierte Präferenzen:Ein Konzept, das besagt, dass Präferenzen nicht vorab feststehen, sondern im Entscheidungs­prozess geformt werden und durch den Kontext sowie die verfügbaren Informationen beeinflusst sind.
  • Kontingente Bewertungs­methode (CVM):Eine umfragebasierte ökonomische Methode zur Schätzung des Wertes nicht-marktfähiger Güter, wie Umwelt­ressourcen, die häufig Verzerrungen und kontext­abhängigen Antworten unterliegt.
  • Nudging:Ein Konzept der Verhaltens­ökonomie, das subtile politische Maßnahmen beschreibt, die Menschen dazu ermutigen, Entscheidungen zu treffen, die langfristig in ihrem besten Interesse liegen. Häufig angewandt in der Umweltpolitik, um nachhaltiges Verhalten zu fördern.
  • Optimismus-Bias:Eine kognitive Verzerrung, bei der Individuen die Wahrscheinlichkeit negativer Konsequenzen für sich selbst unterschätzen, was ihre Wahrnehmung von Umwelt­risiken und ihr Verhalten beeinflussen kann.
  • Ökologische Rationalität:Ein Ansatz in der Verhaltens­ökonomie, der beschreibt, wie Individuen ihre Entscheidungs­strategien an spezifische Umweltkontexte anpassen, was zu kontext­abhängigen Präferenzen führt.
  • Präferen­zbildung:Der Prozess, durch den Individuen ihre Präferenzen entwickeln, beeinflusst durch Faktoren wie Kontext, Framing, soziale Normen und persönliche Erfahrungen.
  • Umwelt­bezogene Entscheidungs­findung:Der Prozess der Auswahl von Politiken und Maßnahmen im Umweltbereich, der häufig von individuellen Präferenzen, kognitiven Verzerrungen und gesellschaft­lichen Faktoren geprägt ist.
  • Verfügbarkeits­heuristik:Eine kognitive Verzerrung, bei der Individuen die Wahrschein­lichkeit von Ereignissen anhand der Leichtigkeit schätzen, mit der ähnliche Ereignisse erinnert werden können, was zu verzerrten Risiko­wahrnehmungen führen kann.
  • Warm Glow:Ein Konzept, das die emotionale Befriedigung beschreibt, die aus dem Geben oder dem Beitrag zu einem öffentlichen Gut entsteht, und dadurch ökonomische Entscheidungen und Bewertungen beeinflussen kann.
  • Zeitliche Diskontierung:Die Tendenz, unmittelbare Belohnungen gegenüber zukünftigen vorzuziehen, was oft zu zeitinkon­sistenten Präferenzen führt und langfristige Entscheidungs­findung erschwert.

 

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