Soziale Normen üben einen subtilen Einfluss auf Entscheidungen aus – von alltäglichen Routinen bis hin zu bedeutsamen Lebens­entscheidungen. Ein tiefes Verständnis dieser Dynamiken ist sowohl für die wissenschaftliche Forschung als auch für die praktische Anwendung in der Politikgestaltung, im Marketing und in sozialen Interventionen von zentraler Bedeutung. Besonders relevant sind soziale Normen im Kontext der ökologischen Nachhaltigkeit: Angesichts des Klimawandels und drängender Umweltprobleme bieten sie ein vielversprechendes Potenzial, um umweltfreundliches Verhalten zu fördern. Dieser Artikel beleuchtet, wie soziale Normen die Motivation beeinflussen, pro-umweltorientiertes Verhalten stärken und stellt die theoretischen Ansätze des Norm-Nudging und der Norm-Aktivierung vor.

Inhalt:

Einleitung

Soziale Normen prägen sowohl individuelles als auch kollektives Handeln und beeinflussen Entscheidungen – von alltäglichen Routinen bis hin zu wichtigen Lebensereignissen. Das Verständnis sozialer Normen ist nicht nur für die wissenschaftliche Forschung, sondern auch für praktische Anwendungen in der Politikgestaltung und sozialen Interventionen von großer Bedeutung. Besonders relevant sind soziale Normen im Zusammenhang mit drängenden globalen Themen wie der ökologischen Nachhaltigkeit. Angesichts des Klimawandels und anderer Umweltprobleme stellt die Nutzung sozialer Normen zur Förderung umweltfreundlichen Verhaltens eine vielversprechende Strategie dar.

Theorien der Normaktivierung sind entscheidend für die Motivation zu Verhaltens­änderungen. Sie verdeutlichen, wie Individuen sich sozialer Normen bewusstwerden und eine moralische Verpflichtung verspüren, entsprechend zu handeln. Diese Theorien legen nahe, dass Menschen eher zu prosozialem Verhalten neigen, wenn sie dessen Bedeutung erkennen, ihre Handlungen als relevant erachten und soziale Erwartungen verspüren, sich auf bestimmte Weise zu verhalten.

Das Norm-Nudging baut darauf auf, indem es Interventionen gestaltet, die Menschen durch das Bewusstsein über soziale Normen und deren positive Wirkungen zu wünschenswertem Verhalten lenken. So kann beispielsweise das Hervorheben hoher Recyclingquoten in der Nachbarschaft das Recycling fördern, indem ein Gefühl der gemeinschaftlichen Verantwortung gestärkt wird. Durch die Verbindung von Normaktivierung und Nudging lassen sich wirkungsvolle soziale Interventionen entwickeln, die sowohl individuelles als auch kollektives Handeln zur Bewältigung globaler Herausforderungen fördern.

Mit sozialen Normen zur Verhaltens­änderung motivieren

Theoretische Grundlagen

Soziale Normen werden in der Regel in zwei Typen unterteilt: deskriptive Normen und injunktive Normen. Deskriptive Normen beziehen sich auf die Wahrnehmung dessen, was die meisten Menschen in einer bestimmten Situation tun, während injunktive Normen darauf basieren, was die meisten Menschen billigen oder missbilligen. Diese Normen beeinflussen das Verhalten, indem sie als Referenz für angemessenes Handeln dienen und potenzielle soziale Belohnungen oder Bestrafungen signalisieren.

Forschungsergebnisse belegen, dass soziale Normen Motivation und Verhalten erheblich beeinflussen. Menschen neigen eher dazu, sich an Verhaltensweisen zu orientieren, die sie als verbreitet oder gesellschaftlich akzeptiert wahrnehmen. Dieser Einfluss ist besonders stark in Kontexten, in denen soziale Belohnungen (z. B. Anerkennung, Status) oder Bestrafungen (z. B. Ablehnung, Ausgrenzung) präsent sind.

Empirische Belege

Empirische Studien zeigen durchgängig die Wirkung sozialer Normen auf die Motivation. Bouman und Steg (2019) fanden heraus, dass Menschen, die starke injunktive Normen zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen wahrnehmen, eher pro-umweltorientiertes Verhalten zeigen. Ebenso zeigten De Groot und Steg (2007), dass die Befürwortung altruistischer und biosphärischer Werte, die mit pro-umweltorientierten Normen übereinstimmen, ein höheres Engagement in Bezug auf umweltfreundliche Handlungen vorhersagt.

Diese Erkenntnisse werden durch zahlreiche Fallstudien untermauert. So haben beispielsweise Bouman et al. (2020) hervorgehoben, dass gemeinschaftsgeführte Initiativen zur Förderung sichtbarer umweltfreundlicher Verhaltensweisen eine positive Rückkopplungsschleife schaffen können, bei der eine erhöhte Sichtbarkeit der Normeinhaltung das Verhalten innerhalb der Gemeinschaft weiter verstärkt.

Fallstudien

Ein bemerkenswertes Beispiel aus Deutschland betrifft ein Programm der Regierung und der Energieversorgungsunternehmen zur Förderung des Energiesparens. Haushalte erhielten detaillierte Berichte, die ihren Energieverbrauch mit dem ihrer Nachbarn verglichen, sowie Nachrichten, die die soziale Zustimmung für energiesparende Verhaltensweisen hervorhoben. Diese Intervention führte zu signifikanten Energieeinsparungen und unterstreicht die Wirksamkeit sozialer Normen bei der Verhalten­sänderung (Allcott, 2011).

Eine genaue Analyse dieses Programms zeigt mehrere Schlüsselfaktoren, die zu seinem Erfolg beitrugen. Erstens nutzten die Berichte deskriptive Normen, indem sie den Haushalten zeigten, dass ihre Nachbarn bereits energieeffizient handelten. Dies erzeugte ein Gefühl sozialer Bestätigung und ermutigte andere, diesem Beispiel zu folgen. Darüber hinaus griff die Intervention auf injunktive Normen zurück, indem energiesparende Verhaltensweisen als gesellschaftlich anerkannt und wünschenswert dargestellt wurden, was die Haushalte weiter motivierte, ihren Verbrauch zu senken.

Ein weiteres Beispiel aus Deutschland ist die Nutzung sozialer Normen zur Förderung des Recyclings. Studien haben gezeigt, dass das Sichtbarmachen des Recyclingverhaltens und das Hervorheben der gesellschaftlichen Akzeptanz des Recyclings die Recyclingrate signifikant erhöhen können. Eine erfolgreiche Initiative platzierte klare Beschilderungen und gut sichtbare Recyclingbehälter an öffentlichen Orten und führte Gemeinschaftskampagnen durch, die hohe Recyclingquoten hervorhoben. Diese Interventionen nutzten sowohl deskriptive als auch injunktive Normen, um Verhaltens­änderungen anzustoßen (Thøgersen, 2006).

Darüber hinaus wurde in einer deutschen Kampagne zur Reduzierung des Plastikverbrauchs Social Norm Nudging wirksam eingesetzt. Die Kampagne umfasste öffentliche Verpflichtungen, bei denen Bürger sich zum Plastikverzicht bekannten, und diese Verpflichtungen wurden in Gemeindezentren und auf Online-Plattformen sichtbar gemacht. Dadurch erhöhte sich die Sichtbarkeit umweltfreundlicher Handlungen, und die soziale Norm des Plastikverzichts wurde verstärkt. Die Kampagne bezog auch lokale Influencer und führende Persönlichkeiten aus der Umgebung ein, die plastikfreie Verhaltensweisen vorlebten, wodurch diese Maßnahmen weiter legitimiert und popularisiert wurden (Udalov et al., 2018).

Diese Beispiele aus dem deutschen Kontext verdeutlichen, wie der strategische Einsatz sozialer Normen bedeutende Verhaltens­änderungen in den Bereichen Energieeinsparung und Recycling bewirken und die Bemühungen um Umwelt­verträglichkeit unterstützen kann (Frey und Stutzer, 2006; Schultz et al., 2007).

Theorien der Normaktivierung

Mehrere Theorien bieten Einblicke in die Mechanismen der Normaktivierung, die für das Verständnis, wie soziale Normen umweltfreundliches Verhalten fördern können, von wesentlicher Bedeutung sind. Die Theorie des geplanten Verhaltens (TPB), entwickelt von Ajzen (1991), besagt, dass Verhalten von Einstellungen, subjektiven Normen und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle beeinflusst wird. In diesem Rahmen spielen subjektive Normen (ähnlich wie injunktive Normen) eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung von Absichten und Verhalten. Ähnlich betont das Norm-Aktivierungsmodell (NAM) von Schwartz (1977) die Bedeutung persönlicher Normen und die Bedingungen, unter denen diese aktiviert werden. Beide Modelle, TPB und NAM, heben die Bedeutung wahrgenommenen sozialen Drucks und persönlicher moralischer Verpflichtungen für Verhaltens­änderungen hervor.

Die Normaktivierung umfasst mehrere psychologische Mechanismen. Wahrgenommene soziale Normen beeinflussen das Verhalten durch die Absichtsbildung, wobei Menschen ihre Handlungen danach planen, was sie glauben, dass andere von ihnen erwarten. Dieser Prozess wird durch Faktoren wie Selbstwirksamkeit (das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, das Verhalten auszuführen) und Ergebniserwartungen (der Glaube, dass das Verhalten zu gewünschten Ergebnissen führt) vermittelt. Thøgersen (2008) stellte fest, dass soziale Normen häufig indirekt Verhalten beeinflussen, indem sie Einstellungen und Überzeugungen prägen. Beispielsweise kann das Beobachten anderer, die sich umweltfreundlich verhalten, das Vertrauen in die Wirksamkeit und soziale Akzeptanz solcher Handlungen stärken und somit die Motivation erhöhen, ähnliches Verhalten anzunehmen.

Empirische Studien, etwa von Bamberg und Möser (2007) und Thøgersen (2008), zeigen, dass soziale Normen pro-umweltorientierte Absichten und Verhaltensweisen signifikant vorhersagen. Kampagnen im Bereich der öffentlichen Gesundheit nutzen diese Normen, um für die Raucherentwöhnung, gesunde Ernährung und Impfungen zu werben, indem sie die Verbreitung und soziale Anerkennung dieser Verhaltensweisen hervorheben.

Interventionen, die soziale Normen aktivieren, können umweltfreundliches Verhalten wirksam fördern. Öffentliche Verpflichtungen zu Umweltmaßnahmen, sichtbare Zeichen der Normentreue (z. B. die Verwendung wiederverwendbarer Taschen) und soziale Marketingkampagnen, die Gemeinschaftsnormen hervorheben, können persönliche Normen aktivieren und zu Verhaltens­änderungen motivieren. Schultz et al. (2007) demonstrieren die Wirksamkeit von normenbasierten Interventionen in einem Feldexperiment, bei dem Haushalte ein Feedback zu ihrem Energieverbrauch im Vergleich zu ihren Nachbarn erhielten. Haushalte mit überdurchschnittlichem Verbrauch reduzierten ihren Verbrauch erheblich, was die Wirkung von sozialem Vergleich und Normaktivierung verdeutlicht.

Trotz des Potenzials sozialer Normen zur Förderung von Verhaltens­änderungen gibt es mehrere Hindernisse, die ihre Aktivierung erschweren können. Eine Herausforderung ist die „Value-Action-Gap“, bei der die erklärten Umweltwerte von Individuen nicht immer in Handlungen umgesetzt werden. Diese Lücke kann durch wahrgenommene hohe persönliche Kosten, mangelnde Selbstwirksamkeit oder soziale und strukturelle Barrieren entstehen. Um diese Hindernisse zu überwinden, müssen Interventionen sowohl die motivationale als auch die praktische Seite der Verhaltens­änderung ansprechen. Durch die Bereitstellung greifbarer Anreize, die Verringerung wahrgenommener Kosten und die Stärkung des Glaubens der Menschen an ihre Fähigkeit, das gewünschte Verhalten auszuführen, kann die Effektivität normbasierter Interventionen erhöht werden.

Das Verständnis und die gezielte Anwendung dieser Theorien zur Normaktivierung können die Bemühungen zur Förderung pro-umweltorientierten Verhaltens erheblich verstärken und helfen, die Lücke zwischen Umweltwerten und konkretem Handeln zu schließen.

Schwartz‘ Modell der kognitiven Entscheidungs­findung

Nach Schwartz (1977) beginnt dieser Prozess mit der Bewusstwerdung eines Bedarfs beim Individuum, wodurch kognitive Prozesse ausgelöst werden, die zur Normaktivierung führen. Das Individuum nimmt mögliche Handlungen wahr, die zur Linderung des Bedarfs beitragen können, und erkennt seine Fähigkeit, diese Handlungen effektiv auszuführen. Daraufhin empfindet das Individuum ein Verantwortungsgefühl zu helfen, beeinflusst durch soziale oder persönliche Normen. Dies führt zur Konstruktion persönlicher Normen, wobei das Individuum seine verinnerlichten Werte und Normen abfragt, um ein Gefühl der moralischen Verpflichtung zu erzeugen, das als moralischer Imperativ zum Handeln empfunden wird.

Sind die Kosten hoch, kann das Individuum die Situation neu bewerten und möglicherweise die Dringlichkeit des Bedarfs, seine Verantwortung oder die Relevanz der Norm infrage stellen. Sollte diese Neubewertung zu einem erneuten Verpflichtungsgefühl führen, durchläuft das Individuum die vorherigen Schritte erneut, um seine Bereitschaft zu handeln zu stärken. Schließlich entscheidet das Individuum, ob es handelt oder nicht, basierend auf den vorangegangenen kognitiven und emotionalen Prozessen. Ist die moralische Verpflichtung stark und sind Abwehrmechanismen gering, ist es wahrscheinlich, dass das Individuum sich altruistisch verhält.

Das Motivation-Opportunity-Ability (MOA)-Modell

Das Motivation-Opportunity-Ability (MOA)-Modell, entwickelt von Ölander und Thøgersen (1995), bietet ein umfassendes Rahmenwerk zum Verständnis des Konsumverhaltens, insbesondere im Kontext des Umweltschutzes. Dieses Modell integriert drei zentrale Komponenten – Motivation, Gelegenheit und Fähigkeit – zur Erklärung pro-umweltorientierter Handlungen.

Im MOA-Modell beschreibt Motivation die Bereitschaft eines Individuums, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, beeinflusst durch persönliche Einstellungen sowie soziale und individuelle Normen. Je stärker die Motivation, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Individuum das gewünschte Verhalten zeigt. Je stärker die Motivation, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Individuum das gewünschte Verhalten zeigt. Motivation wird durch verschiedene Faktoren geprägt, darunter persönliche Werte, wahrgenommene soziale Erwartungen und erwartete Ergebnisse des Verhaltens.

Gelegenheit (Opportunity) bezieht sich auf externe Faktoren, die das Verhalten erleichtern oder erschweren. Dazu zählen die Verfügbarkeit von Ressourcen, situative Einschränkungen und kontextuelle Faktoren, die die Ausführung des Verhaltens erleichtern oder behindern. Beispielsweise kann der Zugang zu Recycling-Einrichtungen oder öffentlichen Verkehrsmitteln die Fähigkeit eines Individuums, sich umweltfreundlich zu verhalten, erheblich beeinflussen.

Fähigkeit (Ability) beschreibt die Kapazität eines Individuums, ein Verhalten zu zeigen, einschließlich der erforderlichen Kompetenzen, Kenntnisse und Ressourcen. Auch bei vorhandener Motivation und Gelegenheit kann ein Mangel an Fähigkeit das Verhalten verhindern. Bildungskampagnen und Maßnahmen zum Kompetenzaufbau fördern pro-umweltorientiertes Verhalten, indem sie das nötige Wissen und die erforderlichen Fertigkeiten vermitteln.

Das MOA-Modell besagt, dass alle drei Komponenten – Motivation, Gelegenheit und Fähigkeit – gegeben sein müssen, damit ein Verhalten erfolgt. Fehlt eine dieser Komponenten, kann das gewünschte Verhalten ausbleiben. Dieser integrierte Ansatz ermöglicht die Identifikation spezifischer Hürden für umweltfreundliches Verhalten und unterstützt die Entwicklung gezielter Interventionen, um diese zu überwinden.

Empirische Studien bestätigen die Wirksamkeit des MOA-Modells zur Vorhersage pro-umweltorientierter Verhaltensweisen. Ölander und Thøgersen (1995) zeigen, dass Interventionen, die gezielt Motivation, Gelegenheit und Fähigkeit stärken, pro-umweltorientiertes Handeln deutlich fördern können. So steigern das Bereitstellen von Informationen über Umweltauswirkungen (Motivation), der einfache Zugang zu Recycling-Einrichtungen (Gelegenheit) und Schulungen in geeigneten Recycling-Techniken (Fähigkeit) gemeinsam die Recyclingquote.

Synthese der Modelle

Die Theorie des geplanten Verhaltens (TPB), das Norm-Aktivierungsmodell (NAM) und das Motivation-Opportunity-Ability (MOA)-Framework bieten sich ergänzende Perspektiven auf den Einfluss sozialer Normen auf das Verhalten. TPB beleuchtet Einstellungen, subjektive Normen und die wahrgenommene Verhaltens­kontrolle. NAM betont die Rolle persönlicher Normen, die durch Bewusstsein und Verantwortungs­gefühl aktiviert werden. Das MOA-Modell integriert diese Ansätze, indem es aufzeigt, dass Motivation, Gelegenheit und Fähigkeit gleichzeitig gegeben sein müssen, damit Verhalten stattfinden kann. Zusammengenommen erklärt TPB Verhaltens­absichten, NAM die normative Aktivierung, und MOA die praktischen Elemente für die Umsetzung.

Social Norm Nudging

Beim Nudging geht es darum, die Entscheidungen des Einzelnen auf subtile Weise zu lenken, ohne seine Entscheidungsfreiheit einzuschränken. Social Norm Nudging nutzt die Macht sozialer Normen, um das Verhalten ohne Zwang zu beeinflussen, und basiert auf der Idee, dass kleine Veränderungen im Umfeld das Verhalten erheblich beeinflussen können.

Cristina Bicchieris Buch Norms in the Wild liefert wesentliche Erkenntnisse dazu, wie Social Norm Nudging Verhaltens­änderungen bewirken kann. Bicchieri (2017) hebt hervor, dass Nudges nur dann wirksam sind, wenn sie den Erwartungen der Menschen an typisches und angemessenes Verhalten in ihren sozialen Gruppen entsprechen. Sie beschreibt mehrere wesentliche Prinzipien für erfolgreiches Norm-Nudging:

Das Verständnis der bestehenden Normen und Erwartungen in einer Gemeinschaft ist entscheidend und setzt die Identifizierung sowohl der deskriptiven Normen (was Menschen tun) als auch der injunktiven Normen (was Menschen billigen) voraus. Botschaften sollten gezielt positives Verhalten hervorheben, das gewünschte Ziele unterstützt, sodass pro-umweltorientiertes Verhalten als verbreitet und gesellschaftlich anerkannt wahrgenommen wird. Eine erhöhte Sichtbarkeit umweltfreundlicher Handlungen und öffentliche Verpflichtungen können Normen stärken: Beobachten Menschen andere bei umweltfreundlichem Verhalten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie diesen Normen ebenfalls folgen. Rückmeldungen, die das Verhalten Einzelner mit dem ihrer Peers vergleichen, können den Wettbewerbssinn anregen und die Einhaltung pro-umweltorientierter Normen fördern. Die Einbindung von Führungspersönlichkeiten und Influencern, die umweltfreundliches Verhalten befürworten und vorleben, verstärkt die Wirkung von Norm-Nudges zusätzlich, da die soziale Anerkennung durch respektierte Persönlichkeiten die Legitimität und Attraktivität dieser Verhaltensweisen stärken kann.

Ein bekanntes Beispiel für Social Norm Nudging ist die Verwendung von Botschaften in Hotels, die die Gäste zur Wiederverwendung von Handtüchern auffordern. Indem darauf hingewiesen wird, dass die meisten vorherigen Gäste ihre Handtücher wiederverwendet haben, konnten die Hotels die Wiederverwendungsrate erheblich steigern. Diese Intervention nutzte effektiv deskriptive Normen, um Verhalten zu beeinflussen. In einer anderen Studie fanden Nolan et al. (2008) heraus, dass Haushalte, die Informationen über das energiesparende Verhalten ihrer Nachbarn erhielten, ihren Energieverbrauch stärker reduzierten als solche, denen lediglich Umwelt- oder Kostenvorteile vermittelt wurden. Dieses Ergebnis unterstreicht die Stärke sozialer Normen bei der Förderung von Verhaltensänderungen.

Ethische Überlegungen beim Norm-Nudging

Norm-Nudging kann Verhalten effektiv beeinflussen, wirft jedoch ethische Fragen in Bezug auf Autonomie und Zustimmung auf. Es ist entscheidend, dass Menschen erkennen, dass sie beeinflusst werden und die Absichten hinter den Interventionen nachvollziehen können. Ethisches Nudging sollte vorteilhafte Verhaltensweisen fördern und die Ausnutzung kognitiver Verzerrungen zu kommerziellen oder politischen Zwecken vermeiden. Transparenz, Fairness und die Förderung des Gemeinwohls sind für ethisches Nudging von zentraler Bedeutung, da es die Entscheidungsfreiheit respektiert und zugleich positive Verhaltens­entscheidungen unterstützt.

Handlungs­empfehlungen

  1. Normen analysieren und Botschaften entwickeln: Verstehen Sie die bestehenden sozialen Normen und identifizieren Sie dabei sowohl deskriptive als auch injunktive Normen. Entwickeln Sie Botschaften, die positives Verhalten hervorheben und umweltfreundliche Handlungen als verbreitet und gesellschaftlich akzeptiert erscheinen lassen.
  2. Sichtbarkeit erhöhen und öffentliche Verpflichtungen fördern: Steigern Sie die Sichtbarkeit umweltfreundlicher Handlungen und fördern Sie öffentliche Verpflichtungen. Das Beobachten anderer, die sich umweltfreundlich verhalten, regt zur Nachahmung an.
  3. Normatives Feedback geben und sozialen Vergleich nutzen: Geben Sie Rückmeldungen, die das Verhalten der Einzelnen mit dem ihrer Peers vergleichen. Das Aufzeigen von Unterschieden kann dazu motivieren, die Einhaltung umweltfreundlicher Normen zu stärken.
  4. Führungspersönlichkeiten und Multiplikatoren einbinden: Binden Sie Führungspersönlichkeiten und Multiplikatoren ein, um umweltfreundliches Verhalten zu unterstützen und vorzuleben. Ihre Unterstützung kann die wahrgenommene Legitimität und Attraktivität dieser Handlungen steigern.

Fazit

Soziale Normen prägen maßgeblich individuelles und kollektives Verhalten, insbesondere im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit. Ihr Verständnis und gezielter Einsatz können die Förderung umweltfreundlicher Verhaltensweisen deutlich stärken. Theorien wie die Theorie des geplanten Verhaltens (TPB) und das Norm-Aktivierungsmodell (NAM) liefern wertvolle Einblicke, wie soziale Normen Motivation und Verhalten beeinflussen.

Mit strategisch formulierten Botschaften, die positives Verhalten betonen, einer erhöhten Sichtbarkeit solcher Handlungen und dem gezielten Einsatz sozialer Vergleiche können Praktiker pro-umweltorientierte Normen effektiv aktivieren und festigen. Die Einbindung von Führungspersönlichkeiten und Multiplikatoren kann die Wirkung solcher Interventionen zusätzlich verstärken.

Trotz des Potenzials sozialer Normen zur Verhaltens­änderung müssen Barrieren wie die „Value-Action-Gap“ überwunden werden. Greifbare Anreize, die Reduzierung wahrgenommener Kosten und die Förderung des Vertrauens in die eigene Fähigkeit zur Verhaltensumsetzung können helfen, diese Lücke zu schließen. Auch ethische Aspekte sind von Bedeutung, um sicherzustellen, dass Nudges die Autonomie respektieren und wirklich förderliche Verhaltensweisen unterstützen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass soziale Normen ein wirksames Instrument sind, um umweltfreundliches Verhalten zu fördern. Durch das Verständnis und die Anwendung der Grundsätze der Normenaktivierung können Praktiker im Bereich der Verhaltens­änderung wirksame Interventionen entwickeln, die zu einer nachhaltigeren und umweltbewussteren Gesellschaft beitragen.

 

Referenzen

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