Kognitive Verzerrungen sind subtile, aber einflussreiche Mechanismen, die rationale Entscheidungsprozesse in Unternehmen erheblich verfälschen können. Zu diesen Verzerrungen zählen unter anderem Overconfidence-Effekte sowie der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias), die häufig zu fehlerhaften Strategien und unzureichenden Führungsentscheidungen führen. Prägnante Fallbeispiele wie die fehlgeleitete globale Expansionsstrategie der Deutschen Bank oder der Abgasskandal von Volkswagen illustrieren die weitreichenden Folgen solcher Verzerrungen.

Ein differenzierter Umgang mit diesen Phänomenen erfordert nicht nur die Identifikation ihrer schädlichen Effekte, sondern auch das Verständnis potenzieller adaptiver Funktionen, wie sie etwa von Forschern wie Gigerenzer betont werden. Durch die systematische Implementierung evidenzbasierter Gegenmaßnahmen können Organisationen ihre Entscheidungsqualität steigern, analytisches und kritisches Denken fördern und eine resilientere Unternehmenskultur etablieren, die den Herausforderungen zunehmender Komplexität gewachsen ist.

Inhalt:

Einleitung

Kognitive Verzerrungen – subtile, aber äußerst einflussreiche Abweichungen von rationalem Urteilsvermögen – durchdringen die Entscheidungsprozesse in Unternehmen. Sie sind weit mehr als bloße psychologische Kuriositäten und haben erhebliche Konsequenzen, die oft über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. In Europa, wo die Unternehmenskultur durch ein komplexes Zusammenspiel historischer, sozialer und wirtschaftlicher Einflüsse geprägt ist, ist ein fundiertes Verständnis dieser Verzerrungen von zentraler Bedeutung.

Die Erforschung kognitiver Verzerrungen ist jedoch nicht unumstritten. Während das von Daniel Kahneman und Amos Tversky begründete „Heuristics-and-Biases“-Programm die Forschung dominiert, indem es diese Verzerrungen als grundlegende Defizite des menschlichen Denkens darstellt (Kahneman und Tversky, 1974; Kahneman, 2011), sieht sich dieser Ansatz zunehmend kritischer Betrachtung ausgesetzt. Gerd Gigerenzer, einer der führenden Kritiker, argumentiert, dass viele dieser vermeintlichen Verzerrungen in Wirklichkeit adaptive Strategien darstellen könnten, die in bestimmten realen Kontexten effektiv funktionieren (Gigerenzer und Selten, 2001; Gigerenzer, 2018).

Dieser Artikel untersucht die komplexen Phänomene kognitiver Verzerrungen, verbindet traditionelle Ansätze mit den kritischen Perspektiven Gigerenzers und analysiert deren Einfluss auf Führung, Entscheidungsprozesse und Teamdynamiken in europäischen Unternehmen

Kognitive Verzerrungen verstehen: Perspektiven im Vergleich

Die Ursprünge kognitiver Verzerrungen

Kognitive Verzerrungen sind systematische Abweichungen von rationalen Denkmustern, die aus vereinfachten, oft unbewussten Prozessen der Informationsverarbeitung resultieren. Sie beeinflussen, wie Menschen Informationen wahrnehmen, interpretieren und bewerten, und können Entscheidungen verzerren, insbesondere unter Unsicherheit und Zeitdruck. Diese Verzerrungen führen nicht notwendigerweise zu suboptimalen Ergebnissen, sondern können in spezifischen Kontexten auch adaptive Funktionen erfüllen. Verhaltensökonomen wie Daniel Kahneman und Amos Tversky haben diese Phänomene umfassend analysiert und gezeigt, dass kognitive Verzerrungen eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen, insbesondere in Situationen von Risiko und Unsicherheit.

Ein Beispiel ist die Verfügbarkeitsheuristik – eine Verzerrung, bei der Menschen die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses anhand der Leichtigkeit einschätzen, mit der ihnen entsprechende Beispiele in den Sinn kommen. Diese Verzerrung kann Unternehmens­entscheidungen erheblich beeinflussen, insbesondere in Kontexten, in denen bestimmte Ergebnisse überproportional medial präsent sind. Ebenso kann der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias), bei dem gezielt nach Informationen gesucht wird, die bestehende Überzeugungen bestätigen, die strategische Entscheidungsfindung erheblich beeinträchtigen. Dieser Bias wurde bereits im Kontext schwerwiegender Unternehmensskandale nachgewiesen.

Gigerenzers Kritik: Der „Bias Bias“

Das „Heuristics-and-Biases“-Programm hat die Forschung maßgeblich geprägt, doch Gerd Gigerenzer übt eine einflussreiche Kritik daran. Er argumentiert, dass dieser Ansatz intelligente Heuristiken häufig fälschlicherweise als fehlerhaftes Denken interpretiert. Nach Gigerenzer sind viele der von Kahneman und Tversky als Verzerrungen bezeichneten Phänomene in Wahrheit adaptive Strategien, die insbesondere in unsicheren und komplexen Umgebungen zu effektiven Entscheidungen führen können (Gigerenzer und Selten, 2001).

Gigerenzer führt das Konzept der „fast and frugal heuristics“ ein – einfache Regeln, die in bestimmten Kontexten komplexeren Entscheidungsprozessen überlegen sein können. Er kritisiert den „Bias Bias“ in der Verhaltensökonomie, also die Tendenz, Abweichungen von normativen Modellen als Fehler zu bewerten, ohne deren praktische und kontextspezifisch angemessene Anwendung zu berücksichtigen (Gigerenzer, 2018). Diese Perspektive legt nahe, dass solche Heuristiken – anstatt stets zu schlechten Ergebnissen zu führen – je nach Umgebungsbedingungen äußerst funktional sein können.

Kognitive Verzerrungen in der Unternehmens­führung

Strategische Entscheidungs­findung: Fallstricke und Potenziale von Heuristiken

In der Unternehmens­führung können kognitive Verzerrungen wie Selbstüberschätzung (Overconfidence) und der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) erhebliche Fehlentscheidungen verursachen. Selbstüberschätzung – die Tendenz, die eigenen Fähigkeiten oder Kenntnisse überzubewerten – führt oft zu übermäßig ambitionierten Strategien, die Risiken verkennen. Ein anschauliches Beispiel bietet die Deutsche Bank, deren expansive Strategie im globalen Investmentbanking in den frühen 2000er-Jahren stark von optimistischen Annahmen geprägt war. Die Führungsebene ging davon aus, dass frühere Erfolge auf dem heimischen Markt einfach auf internationale Finanzmärkte übertragbar seien. Diese Fehleinschätzung führte dazu, dass die Risiken globaler Finanzsysteme unterschätzt wurden, was während der Finanzkrise 2008 schwerwiegende Folgen hatte. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie Overconfidence zu strategischer Überdehnung führen kann, bei der entscheidende Gefahren ignoriert werden (Roll, 1986).

Der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) stellt eine weitere zentrale Herausforderung dar. Er führt dazu, dass Entscheidungsträger Informationen bevorzugen, die ihre bestehenden Überzeugungen oder Strategien stützen, während widersprüchliche Daten systematisch ausgeblendet werden. Der Volkswagen-Abgasskandal ist ein eindrückliches Beispiel: Hinweise darauf, dass die Dieselmotoren nicht den Emissionsstandards entsprachen, wurden innerhalb des Unternehmens ignoriert, was die Umsetzung einer irreführenden Strategie begünstigte (Sharot, 2017). Gigerenzer argumentiert jedoch, dass der Bestätigungsfehler in stabilen Umfeldern, in denen sich frühere Ansätze bewährt haben, auch positive Effekte haben kann, indem er zur Konsistenz und Effizienz beiträgt, anstatt ständige Veränderung zu erzwingen (Gigerenzer, 2018).

Neurowissenschaftliche Erkenntnisse verdeutlichen zusätzlich die Mechanismen, die den Bestätigungsfehler verstärken. Das Belohnungssystem des Gehirns spielt hierbei eine Schlüsselrolle: Studien zeigen, dass die Ausschüttung von Dopamin – einem Neurotransmitter, der mit positiven Emotionen assoziiert wird – verstärkt wird, wenn Informationen den bestehenden Überzeugungen entsprechen. Diese neurobiologische Grundlage erklärt, warum der Bestätigungsfehler so tief verwurzelt ist und wie schwer es Entscheidungsträgern fällt, sich diesem Einfluss zu entziehen.

Um die negativen Auswirkungen solcher Verzerrungen zu mindern, sollten Unternehmen strukturierte Entscheidungsprozesse etablieren, regelmäßige Audits durchführen und eine Unternehmenskultur fördern, die kritisches Hinterfragen sowie eine Vielfalt an Perspektiven aktiv unterstützt.

Führungsverhalten: Der Umgang mit Gruppendenken und versunkenen Kosten

Führung ist ein zentraler Bereich, in dem kognitive Verzerrungen tiefgreifende Auswirkungen haben können. Groupthink, ein Phänomen, bei dem das Streben nach Einigkeit die kritische Analyse verdrängt, führt häufig zu fehlerhaften Entscheidungen. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der Niedergang der britischen Bank Northern Rock während der Finanzkrise 2007. Die Führungsebene, getrieben von einem falschen Gefühl der Einmütigkeit, verfolgte riskante Hypothekenvergabestrategien, ohne diese ausreichend zu hinterfragen. Dies mündete in katastrophalen Ergebnissen (Janis, 1972).

Ein weiteres häufiges Problem ist der Sunk-Cost-Fehlschluss. Dabei investieren Führungskräfte weiterhin in Projekte, obwohl diese scheitern, allein weil bereits erhebliche Ressourcen gebunden wurden. Ein prominentes Beispiel ist das deutsche Bahnprojekt Stuttgart 21. Trotz eskalierender Kosten und wachsendem Widerstand in der Bevölkerung hielten die Entscheidungsträger am Projekt fest – eine Entscheidung, die wesentlich durch die bereits getätigten Investitionen beeinflusst wurde (Staw, 1976).

Aus neuroökonomischer Perspektive lässt sich der Sunk-Cost-Fehlschluss durch die Verlustaversion des Gehirns erklären. Studien zeigen, dass die Aussicht, investierte Ressourcen zu verlieren, dieselben neuronalen Regionen aktiviert, die auch für das Empfinden von physischem Schmerz verantwortlich sind (Knutson et al., 2007). Diese neuronale Reaktion erzeugt einen starken emotionalen Impuls, weiterhin in ein scheiterndes Projekt zu investieren, selbst wenn eine rationale Analyse dies klar widerlegt.

Gigerenzer würde argumentieren, dass solche Verhaltensweisen in spezifischen Kontexten als rational betrachtet werden könnten, beispielsweise als Reaktion auf organisationale Zwänge oder aufgrund der vermeintlichen Stabilität früherer Strategien. Führungskräfte können diesen Verzerrungen entgegenwirken, indem sie laufende Projekte regelmäßig neu bewerten, Entscheidungen auf aktuelle Fakten statt auf vergangene Investitionen stützen und unabhängiges Denken sowie offenen Dialog innerhalb ihrer Teams aktiv fördern (Gigerenzer und Selten, 2001).

Teamdynamik: Umgang mit sozialem Faulenzen und Attributions­fehlern

Kognitive Verzerrungen beeinflussen die Dynamik in Teams erheblich. Soziales Faulenzen (social loafing) beschreibt das Phänomen, dass Einzelpersonen in Gruppen weniger Anstrengung aufbringen als bei der Arbeit allein. Dies führt häufig zu Ineffizienzen und mangelnder Verantwortlichkeit, insbesondere in großen Organisationen. Wenn Verantwortung auf viele verteilt wird, entsteht die Tendenz, sich auf die Beiträge anderer zu verlassen, was die Effizienz und den Gesamteinsatz mindert. Besonders problematisch ist dies in Entscheidungsprozessen, wo die fehlende individuelle Verantwortlichkeit Verzögerungen oder suboptimale Ergebnisse zur Folge haben kann (Latané, Williams und Harkins, 1979).

Forschung in der Motivationspsychologie zeigt, dass soziales Faulenzen durch gezielte Maßnahmen verringert werden kann. Insbesondere steigern klar definierte individuelle Verantwortlichkeiten und regelmäßiges Feedback die Motivation. Teammitglieder, die wissen, dass ihre Beiträge bewertet und anerkannt werden, engagieren sich nachweislich stärker in gemeinsamen Aufgaben (Karau und Williams, 1993).

Ein weiteres Hindernis für produktive Teamdynamiken ist der fundamentale Attributionsfehler. Dieser Bias führt dazu, dass Teammitglieder die Fehler anderer auf persönliche Schwächen zurückführen, während sie ihre eigenen Fehlentscheidungen auf äußere Umstände schieben. In multinationalen Teams, in denen kulturelle Unterschiede häufiger zu Missverständnissen führen, ist dieser Fehler besonders schädlich. Die Attributionstheorie von Heider (1958) erklärt den fundamentalen Attributionsfehler als Teil unseres Bestrebens, Ereignisse durch kausale Erklärungen verständlich zu machen.

In multinationalen Teams kann dieser Bias zu einem Bruch in Kommunikation und Vertrauen führen, da Handlungen oder Absichten von Teammitgliedern oft fehlinterpretiert werden. Forschungen in der interkulturellen Psychologie zeigen jedoch, dass interkulturelles Kompetenztraining helfen kann, diesen Effekt zu mindern. Solche Schulungen fördern ein besseres Verständnis und die Wertschätzung der unterschiedlichen Perspektiven und Kommunikationsstile innerhalb eines Teams (Matsumoto und Juang, 2013).

Um diesen Verzerrungen entgegenzuwirken, sollten Organisationen Strategien implementieren, die klare Kommunikation fördern, Verantwortlichkeiten präzise definieren und eine Kultur der Diversität und Inklusion stärken. Ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle für das Ergebnis verantwortlich fühlen, kann soziales Faulenzen verringern. Gleichzeitig kann eine Förderung von Empathie und interkulturellem Verständnis den schädlichen Einfluss von Attributionsfehlern reduzieren.

Integration von Bias-Bewusstsein in die Unternehmens­kultur

Im Zuge prominenter Unternehmensskandale setzen viele europäische Unternehmen zunehmend auf die Integration von Bias-Bewusstsein in ihre Unternehmenskultur. Ein Beispiel hierfür ist Siemens, das nach Korruptionsskandalen seine Corporate Governance umfassend reformierte. Teil dieser Reform war die Einführung von Bias-Bewusstseinstrainings im Rahmen der Ethik- und Compliance-Programme. Ziel dieser Maßnahmen ist es, widerstandsfähigere Organisationen zu schaffen, die die Komplexität des modernen Geschäftsumfelds effektiver bewältigen können (Edmondson, 1999).

Die Übertragung von Erkenntnissen über kognitive Verzerrungen in den Unternehmenskontext wird jedoch kritisch diskutiert. Wissenschaftler wie Gerd Gigerenzer warnen vor einer unkritischen Übernahme von Laborergebnissen, die oft nicht ohne Weiteres auf reale Bedingungen übertragbar sind. Ein Beispiel ist der „Hot-Hand-Fehlschluss“ im Sport, der lange Zeit als kognitive Illusion galt, jedoch durch neuere Forschungen differenziert betrachtet wird. Dies unterstreicht die zentrale Rolle des Kontextes bei der Bewertung kognitiver Verzerrungen (Gigerenzer, 2018).

Der Aufbau einer Unternehmenskultur, die weniger anfällig für Biases ist, erfordert kontinuierliche Weiterbildung, eine systematische Überprüfung von Entscheidungsprozessen und eine aktive Förderung von kritischem Denken sowie Vielfalt in den Perspektiven.

Handlungs­empfehlungen

  1. Bias-Bewusstsein durch gezielte Trainingsprogramme stärken: Entwickeln Sie spezialisierte Schulungsprogramme zu kognitiven Verzerrungen und integrieren Sie diese in das unternehmensweite Lernangebot. Der Fokus sollte darauf liegen, Führungskräfte und Mitarbeitende auf allen Ebenen über häufige Verzerrungen wie Selbstüberschätzung und Groupthink zu informieren. Ziel ist es, Entscheidungsprozesse durch die Förderung eines kritischeren und ausgewogeneren Denkens zu optimieren.
  2. Eine Kultur des kritischen Hinterfragens fördern: Schaffen Sie ein organisationales Umfeld, das Vielfalt in Perspektiven und offenes Hinterfragen aktiv unterstützt. Etablieren Sie Foren, in denen Mitarbeitende Entscheidungen hinterfragen und alternative Sichtweisen einbringen können – insbesondere bei Projekten mit hoher Tragweite. Dadurch können Risiken wie Groupthink und ein übermäßiges Vertrauen in bestehende Annahmen verringert werden.
  3. Entscheidungsprozesse regelmäßig überprüfen und anpassen: Implementieren Sie systematische Überprüfungen laufender Projekte, um Entscheidungen kontinuierlich auf ihre Aktualität zu prüfen – insbesondere bei Vorhaben mit erheblichen versunkenen Kosten. Entscheidungen sollten sich auf die aktuellen Gegebenheiten stützen und nicht durch frühere Investitionen verzerrt werden. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, den Sunk-Cost-Fehlschluss zu vermeiden und eine effiziente Ressourcenallokation sicherzustellen.
  4. Verantwortlichkeit und Rollenklarheit in Teams verbessern: Definieren Sie Rollen innerhalb von Teams klar und etablieren Sie Mechanismen, die individuelle Verantwortlichkeit fördern. Dies reduziert soziales Faulenzen, indem sichergestellt wird, dass die Beiträge aller Teammitglieder anerkannt und wertgeschätzt werden. Zudem sollten klare Kommunikationsstrukturen und eine inklusive Arbeitskultur gefördert werden, um Attributionsfehler zu minimieren und die Teamdynamik nachhaltig zu stärken.

Fazit

Kognitive Verzerrungen sind untrennbar mit menschlichen Entscheidungsprozessen verbunden, doch ihre Auswirkungen im Unternehmenskontext sind vielschichtig. Die traditionelle Perspektive hebt vor allem die Risiken hervor, die Verzerrungen für Organisationen bergen können, während Gigerenzers Kritik dazu anregt, ihren potenziell adaptiven Nutzen in den Blick zu nehmen. Zu verstehen, in welchen Situationen und auf welche Weise Heuristiken vorteilhaft sein können oder zu Fehlern führen, ist essenziell, um Strategien zu entwickeln, die die Qualität von Entscheidungen im modernen Geschäftsumfeld verbessern.

Der Ansatz im Umgang mit kognitiven Verzerrungen sollte nicht darauf abzielen, diese vollständig zu eliminieren – ein unrealistisches Vorhaben angesichts ihrer tiefen Verankerung in der menschlichen Psychologie. Stattdessen liegt der Fokus darauf, ihre Auswirkungen zu erkennen und gezielt abzumildern. Durch die Förderung von kritischem Denken, vielfältigen Perspektiven und einer offenen Unternehmenskultur können Organisationen robustere und fundiertere Entscheidungen treffen. Diese Maßnahmen tragen nicht nur dazu bei, die Fallstricke verzerrter Entscheidungsfindung zu vermeiden, sondern schaffen auch die Grundlage für eine anpassungsfähige und innovative Unternehmens­kultur, die den komplexen Anforderungen des modernen Geschäftsumfelds gewachsen ist.

 

Glossar von Schlüssel­­­verzerrungen im Kontext von Entscheidungs­­­findung, Führung und Teamdynamik

# Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung Verzerrungen in der Führung Verzerrungen in Teamdynamiken
1 Selbstüberschätzung: Überschätzen der eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse, was zu riskanten strategischen Entscheidungen führen kann. Halo-Effekt:
Eine übergreifende positive Einschätzung beeinflusst spezifische Bewertungen unangemessen und führt zu verzerrten Führungsentscheidungen.
Soziales Faulenzen:
Die Tendenz, in Gruppen weniger Anstrengung zu zeigen, was die Gesamtleistung des Teams verringert.
2 Bestätigungsfehler:
Suchen nach Informationen, die bestehende Überzeugungen stützen, während widersprüchliche Beweise ignoriert werden.
Autoritätsverzerrung:
Überbewertung der Meinungen oder Entscheidungen höhergestellter Personen, was die Entscheidungsfindung in Organisationen erheblich beeinflussen kann.
Attributionsfehler:
Falsche Zuschreibung von Handlungen anderer auf deren Charakter anstelle von situativen Faktoren, was zu Missverständnissen und Konflikten in Teams führt.
3 Anker-Effekt:
Übermäßige Abhängigkeit von der ersten erhaltenen Information, was nachfolgende Entscheidungen verzerren kann.
Selbstwertdienliche Verzerrung:
Erfolge werden persönlichen Faktoren zugeschrieben, während Misserfolge auf äußere Umstände geschoben werden, was Verantwortlichkeit und Lernen behindert.
Gruppenfavoritismus:
Bevorzugung von Mitgliedern der eigenen Gruppe gegenüber anderen, was die Zusammenarbeit in Teams beeinträchtigen kann.
4 Gruppendenken:
Vorrang von Harmonie und Konsens in Entscheidungsgruppen auf Kosten kritischer Analyse.
Blinder-Fleck-Verzerrung:
Unfähigkeit, eigene Verzerrungen zu erkennen, während die von anderen leicht identifiziert werden.
Egozentrische Verzerrung:
Überschätzung des eigenen Beitrags in einem Team, was zu Konflikten und geringerer Kohäsion führen kann.
5 Versunkene-Kosten-Fehlschluss:
Weiterführen eines erfolglosen Projekts aufgrund bereits getätigter Investitionen.
Dunning-Kruger-Effekt:
Führungskräfte mit begrenzter Kompetenz überschätzen ihre Fähigkeiten, was zu ineffektiver Führung führt.
Kollektive Rationalisierung:
Gruppen rationalisieren Entscheidungen und ignorieren Warnungen oder negatives Feedback.
6 Verfügbarkeitsheuristik:
Entscheidungen werden auf leicht verfügbare Informationen gestützt, oft mit Überschätzung unwahrscheinlicher Ereignisse.
Egozentrische Verzerrung:
Führungskräfte überschätzen oft ihren eigenen Einfluss auf Erfolge und unterschätzen Teambeiträge oder äußere Faktoren.
Homogenitätsverzerrung:
Mitglieder außerhalb der Gruppe werden als homogener wahrgenommen, was die Zusammenarbeit behindern kann.
7 Framing-Effekt:
Unterschiedliche Entscheidungen werden auf Grundlage der Darstellung der Information getroffen, nicht auf deren Inhalt.
Planungsfehlschluss:
Unterschätzen des Zeit- und Ressourcenaufwands für ein Projekt, was zu unrealistischen Erwartungen führt.
Selbsterfüllende Prophezeiung:
Erwartungen an den Erfolg oder Misserfolg eines Teams beeinflussen das Ergebnis und verstärken die anfänglichen Annahmen.
8 Rezenz-Effekt:
Jüngste Ereignisse oder Informationen werden überbewertet, was zu reaktiven Entscheidungen führt.
Kontrollillusion:
Führungskräfte überschätzen ihre Fähigkeit, Ergebnisse zu beeinflussen, was zu übermäßigem Risiko führt.
Mitläufer-Effekt:
Teammitglieder passen sich der Mehrheit an, was zu Konformität und Innovationshemmung führt.
9 Rückschaufehler:
Der Glaube, dass vergangene Ereignisse vorhersagbar und unvermeidlich waren, was zu übermäßigem Vertrauen in zukünftige Entscheidungen führt.
Überlebenden-Verzerrung:
Fokussieren auf erfolgreiche Strategien oder Personen, ohne die gescheiterten zu berücksichtigen.
Zuschauereffekt:
Teammitglieder übernehmen weniger Verantwortung, weil sie davon ausgehen, dass andere eingreifen werden.
10 Status-quo-Verzerrung:
Bevorzugung des aktuellen Zustands, selbst wenn eine Änderung vorteilhaft wäre.
Projektionsverzerrung:
Annahme, dass andere die eigenen Perspektiven und Gefühle teilen, was zu fehlerhaften Entscheidungen führt.
Stereotypisierung:
Generalisierung über Einzelpersonen basierend auf Gruppenmerkmalen, was zu voreingenommenen Beurteilungen führt.
11 Eskalierendes Commitment:
Fortsetzung von Entscheidungen aufgrund früherer Investitionen, selbst wenn diese nicht mehr rational sind.
Kontrollillusion:
Führungskräfte überschätzen ihren Einfluss auf Ergebnisse, was zu riskanten Entscheidungen führen kann.
Gruppenpolarisierung:
Gruppenentscheidungen werden extremer als die ursprünglichen Positionen der Mitglieder.
12 Überlebenden-Verzerrung:
Fokussierung auf erfolgreiche Fälle und Vernachlässigung von Misserfolgen, was zu verzerrten Schlussfolgerungen führt.
Falscher Konsens-Effekt:
Führungskräfte überschätzen oft, dass andere ihre Meinungen teilen, was zu ineffizienter Kommunikation führen kann.
Falscher Konsens-Effekt in Teams:
Die Annahme, dass alle Teammitglieder einer bestimmten Sichtweise zustimmen, was zu unangefochtenen Entscheidungen führt.
13 Besitztumseffekt:
Überbewertung des eigenen Besitzes, was rationale Entscheidungen behindert.
Kognitive Dissonanz:
Rechtfertigung schlechter Entscheidungen zur Reduzierung des inneren Konflikts.
Hochstapler-Syndrom:
Zweifel an den eigenen Leistungen und Angst, als „Betrüger“ entlarvt zu werden, was die Teammoral beeinträchtigt.
14 Optimismus-Verzerrung:
Überschätzung positiver Ergebnisse und Vernachlässigung von Risiken.
Status-quo-Verzerrung:
Bevorzugung bestehender Routinen, was Innovationen hemmt.
Sozialer Vergleich:
Neid auf leistungsstarke Teammitglieder, was eine ungesunde Wettbewerbsatmosphäre schafft.
15 Prävalenzfehler:
Vernachlässigung allgemeiner statistischer Informationen zugunsten anekdotischer Daten.
Empathie-Lücke:
Unterschätzen des Einflusses emotionaler Zustände auf Entscheidungen in Krisen.
Ähnlichkeitsverzerrung:
Bevorzugung von Menschen mit ähnlichem Hintergrund, was Diversität einschränkt.
16 Wunschdenken:
Überschätzung der Wahrscheinlichkeit wünschenswerter Ergebnisse.
Reaktanz:
Widerstand gegen wahrgenommene Einschränkungen der Autonomie.
Ambiguitätsaversion:
Vermeiden von Entscheidungen mit unbekannten Ergebnissen, was Innovation behindert.
17 Hyperbolische Diskontierung:
Bevorzugung kleiner, sofortiger Belohnungen gegenüber größeren, späteren Belohnungen.
Negativitätsbias:
Überschätzung negativer Ergebnisse, was zu defensiven Strategien führen kann.
Autoritätsverzerrung:
Blindes Vertrauen in Autoritäten innerhalb des Teams.
18 Null-Risiko-Verzerrung:
Bevorzugung der vollständigen Beseitigung eines kleinen Risikos statt der Reduzierung eines größeren Risikos.
Attributionsfehler:
Zuschreiben von Fehlern anderer auf persönliche Schwächen statt auf äußere Umstände.
Planungsfehlschluss:
Teams unterschätzen den Aufwand für Projekte.
19 Ambiguitätseffekt:
Entscheidungen zugunsten vorhersagbarer Optionen, auch wenn diese suboptimal sind.
Moralische Lizenzierung:
Rechtfertigung unethischer Entscheidungen aufgrund früherer ethischer Handlungen.
Eigeneffekt-Hypothese:
Überbewertung eigener Ideen oder Projekte innerhalb des Teams.
20 Paradox der Wahl:
Überforderung durch zu viele Optionen, was zu Entscheidungsparalyse führen kann.
Ergebnisverzerrung:
Bewertung von Entscheidungen anhand ihrer Ergebnisse statt des Entscheidungsprozesses.
Zeitplan-Fehlschluss:
Unterschätzung der Dauer von Teamdiskussionen oder Meetings, was zu übereilten Entscheidungen und potenzieller Überlastung führen kann.
21 Nachträgliche Begründungstoleranz:
Sich an frühere Entscheidungen als besser zu erinnern, als sie tatsächlich waren, was Bewertungen und Widerstand gegen Veränderungen verzerren kann.
Verfügbarkeitskaskade:
Wenn die Entscheidung einer Führungskraft nur dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnt, dass sie oft wiederholt wird, selbst ohne evidenzbasierte Unterstützung.
Soziale Erwünschtheit in Teams:
Teammitglieder präsentieren sich in einem günstigen Licht, um den Gruppenstandards zu entsprechen.
22 Gegenwarts-Verzerrung:
Unterschätzen zukünftiger Belohnungen, was Entscheidungen begünstigt, die unmittelbare Vorteile gegenüber langfristigen Gewinnen priorisieren.
Wunschdenken in der Führung:
Überschätzung der Wahrscheinlichkeit wünschenswerter Ergebnisse, was zu übermäßig optimistischer Planung und unrealistischen Zielen führt.
Schuldzuweisungs-Verzerrung:
Teams neigen dazu, einem Individuum die Schuld für Fehler zuzuweisen, ohne systemische Probleme zu berücksichtigen.
23 Spielerfehlschluss:
Der Glaube, dass vergangene Zufallsereignisse zukünftige beeinflussen, was zu irrationalen Entscheidungen, insbesondere im finanziellen Kontext, führen kann.
Rahmungseffekt in der Führung:
Führungskräfte treffen unterschiedliche Entscheidungen, je nachdem, wie Informationen präsentiert werden, und nicht basierend auf deren Inhalt.
Illusorische Korrelation:
Wahrnehmung einer Beziehung zwischen Variablen innerhalb der Teamleistung, die tatsächlich nicht existiert.
24 Fokussierungseffekt:
Überbewertung eines Aspekts einer Entscheidung, während andere relevante Faktoren ignoriert werden, was zu verzerrten Ergebnissen führen kann.
Zeitpräferenz:
Weniger Wert auf zukünftige Belohnungen legen im Vergleich zu sofortigen, was Entscheidungen begünstigt, die kurzfristigen Erfolg über langfristigen stellen.
Informationskaskade:
Teammitglieder übernehmen dieselben Entscheidungen oder Überzeugungen basierend auf den Handlungen oder Meinungen anderer.
25 Rhyme-as-reason-Effekt:
Die Wahrnehmung, dass Aussagen wahrer oder überzeugender sind, wenn sie sich reimen, was subtil Marketing und Kommunikation beeinflussen kann.
Ähnlichkeitsfehler in der Führung:
Bevorzugung von Mitarbeitern, die einem selbst ähnlich sind, was die Diversität innerhalb von Führungsteams einschränken kann.
Nähe-Verzerrung:
Bevorzugung der Beiträge und Meinungen von Teammitgliedern, die physisch näher sind oder häufiger interagieren.
26 Pseudogewissheits-Effekt:
Optionen werden bevorzugt, die einen wahrgenommenen Verlust vermeiden, selbst wenn ein Risiko zu einem besseren Ergebnis führen könnte.
Anker Effekt:
Überidentifikation mit der eigenen Rolle oder früheren Entscheidungen, was zu Widerstand gegen alternative Perspektiven führt.
Eskalierendes Commitment in Teams:
Teams setzen möglicherweise eine scheiternde Strategie fort, aufgrund der bereits investierten Anstrengungen und Ressourcen.
27 Optimismus-Verzerrung:
Konstante Erwartung, dass Ergebnisse besser sein werden, als statistisch wahrscheinlich, was die Risikobewertung beeinflusst.
Endowment-Effekt in der Führung:
Überbewertung bestehender Strategien oder Vermögenswerte, weil sie der Organisation „gehören“, was zu Widerstand gegen Veränderungen führt.
Generalisierungsfehler:
Ziehen von allgemeinen Schlussfolgerungen aus begrenzten Daten im Teamkontext, was zu ineffektiven Strategien führt.
28 Mere-Exposure-Effekt:
Entwicklung einer Präferenz für Dinge, nur weil sie vertraut sind, was zu voreingenommenen Entscheidungen zugunsten des Status quo führen kann.
Gerechte-Welt-Hypothese:
Der Glaube, dass Ergebnisse verdient sind, was zu mangelnder Empathie und schlechter Einschätzung der Bedürfnisse von Mitarbeitenden führen kann.
Rhyme-as-reason-Effekt in Teams:
Die Tendenz von Teammitgliedern, Aussagen als wahrer oder überzeugender wahrzunehmen, wenn sie sich reimen.
29 Regret-Aversion:
Vermeidung von Entscheidungen, die zu zukünftigen Bedauern führen könnten, was oft zu konservativen Entscheidungen und verpassten Chancen führt.
Besitztumseffekt in der Führung:
Führungskräfte neigen dazu, ihre Ideen oder Projekte nur deshalb zu überbewerten, weil sie sie selbst initiiert haben, was Widerstand gegen externe Eingaben verursacht.
Pseudogewissheits-Effekt in Teams:
Entscheidungen werden getroffen, um Verluste zu vermeiden, selbst wenn ein kalkuliertes Risiko zu besseren Ergebnissen führen könnte.
30 Decoy-Effekt:
Das Vorhandensein einer dritten, weniger attraktiven Option macht eine der anderen beiden Optionen ansprechender, was die Entscheidungsfindung subtil beeinflusst.
Illusion der Transparenz:
Der Glaube, dass die eigenen Gedanken, Gefühle oder Absichten für andere offensichtlicher sind, als sie tatsächlich sind, was zu Missverständnissen innerhalb von Teams führen kann.
Spontane Eigenschaftszuschreibung:
Teams neigen dazu, basierend auf begrenzten Informationen, Kollegen dauerhaft bestimmte Charaktereigenschaften zuzuschreiben, was Zusammenarbeit erschwert.

 

Referenzen

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